Studienfahrt Brüssel

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Am Sonntagmittag, den 23.September trafen sich 7 Schülerinnen und 11 Schüler der Klassenstufe 12 des Gymnasiums am Hoptbühl mit ihren Lehrern Fabian König und Matthias Restorff, um im Rahmen einer politisch-geographischen Studienfahrt ins Herzen der Europäischen Union aufzubrechen.
Nach siebenstündiger Zugfahrt von VS-Villingen über Offenburg und Köln erreichte die Gruppe um kurz vor 20 Uhr Brüssel-Nord. Mit der Metro ging es dann ins Stadtzentrum. Die restliche Wegstrecke zum Hotel Meininger City wurde per pedes zurückgelegt und es konnten erste Eindrücke vom Brüsseler Nachtleben gesammelt werden. Nach dem Frühstück ging es am nächsten Morgen auf bekannter Strecke zum weltberühmten Grote Markt. Am alten Brüsseler Rathaus wurde die Gruppe von einem pensionierter Lehrer, der jetzt als Stadtführer arbeitet, empfangen. Auf eine informative und humorvolle Art und Weise wurde die Altstadt von Brüssel in ihrer Vielfalt kennengelernt. Dabei erfuhren die Villinger Gäste nicht nur vieles über die Brüsseler Stadtgeschichte, sondern wurden auch in die Gastronomie und das Leben in der Stadt eingeführt.
Das Zentrum der im Mittelalter gegründeten Stadt Brüssel wurde im Zuge der französischen Expansion Ende des 16. Jahrhunderts komplett zerstört. So konnte der Marktplatz im 17. Jahrhundert im Stile des Barock von den reichen Patriziern neu gestaltet werden. Belgien ist politisch und kulturell geprägt vom Konflikt zwischen den niederländisch stämmigen Flamen und den französisch sprechenden Wallonen. Brüssel liegt zwar im flämischen Landesteil, trotzdem sprechen neunzig Prozent der Bevölkerung Französisch. Der Schlüssel des beruflichen Erfolgs liegt in der Bildung und dem Erwerb der Mehrsprachigkeit.
Zu den kulinarischen Highlights von Brüssel gehört nicht zuletzt die belgische Pralinenherstellung. Während man bei der auch in Deutschland bekannten Kette Leonidas 28 Euro für das Kilo Pralinen bezahlt, muss man in den Geschäften von Weltmeister Pierre Marcolini mit rund 120 Euro deutlich tiefer in die Tasche greifen. Der berühmteste Junge Belgiens, Manneken Pis, war selbstverständlich Teil der Führung. In den letzten Jahre hat es sich etabliert, den nackten Jungen mit wechselnder Kleidung zu kostümieren. An diesem touristischen Hotspot wurde die Gruppe auch mit der Vielfalt der belgischen Waffelkunst vertraut gemacht Die Progressivität der belgischen Gesellschaft drückt sind nicht zuletzt darin aus, dass in den siebziger Jahren in der Altstadt das weibliche Pendant, Jeaneken Pis, erschaffen wurde. In unmittelbarer Nachbarschaft von Jeaneken Pis befindet sich Belgiens berühmteste Kneipe. Das Delirium hält mit über 1200 Biersorten im Ausschank den Weltrekord. Nachmittags fand eine stadtgeographische Exkursion im "Terrornest Molenbeek“, dem „vielleicht gefährlichsten Viertel der Welt" statt. Das Viertel, in dem der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Paris und Brüssel aufwuchs, gilt als "Dschihadisten-Brutstätte". Und so einfach wird der Bezirk dieses Image nicht los. Die Exkursion ging der Frage nach, weshalb sich gerade Molenbeek zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt hat. Die Quartiersbesichtigung startete am Hotel Meininger, welches sich ebenfalls in diesem Viertel befindet. Ähnlich wie in der Bundesrepublik holte man in den 1960er-Jahren sogenannte "Gastarbeiter" ins Land, welche als Arbeitskräfte in den Minen und in der Industrie arbeiteten. In Molenbeek zeigen sich exemplarisch innerstädtische Segregationsprozesse. Rund die Hälfte der Einwohner hat einen Migrationshintergrund und die Arbeitslosenquote liegt bei 31 Prozent. Das Problem besteht darin, dass es vor allem im Zentrum Molenbeeks keine große Mischung gibt – hier leben vor allem Muslime, die in erster Linie marokkanischer Herkunft sind. Ist Belgien an seiner aktiven Salafisten-Szene selbst schuld? Das Land erhält bereits seit den 70er-Jahren günstiges Öl aus Saudi-Arabien. Im Gegenzug durfte Saudi-Arabien in der Hauptstadt ein westliches Mekka für radikal-islamische Prediger aufbauen. Spätestens in den 1990er-Jahren lassen sich dann die ersten von ihnen auch direkt in Molenbeek nieder. Die starke Rolle des Islams spiegelt sich auch im Stadtbild des Viertels wieder. Es lassen sich auffällig viele Frauen mit Hijab, Männer mit langen Bärten und arabische Läden, sowie zahllose, teils inoffizielle Moscheen beobachten. Eine aus Marroko stammende Schülerin der Gruppe wies darauf hin, dass einige der Straßenzüge sie an „zuhause“ erinnern. Es konnten allerdings auch Gentrifzierungsprozesse innerhalb Molenbeeks festgestellt werden.
In unmittelbarer Nähe zum Kanal haben sich mit Künstlern und Alternativen die ersten Pioniere niedergelassen. Zu sehen ist dies anhand von Graffitis an den Wänden sowie einem Biomarkt. Außerdem wurde 2015, auf dem einstigen Müllberg von Molenbeek, das Projekt „Parckfarm“ ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um ein subventioniertes Urban- Gardening-Projekt. Im Biorestaurant Belmundo können die Erzeugnisse aus den Gärten direkt gegessen werden. Rund um die Metrostation Comte de Flandre stehen neue Appartmenthäuser für die den Pionieren folgende Gruppe wohlhabender Gentrifier. Infolge der Gentrifizierung findet ein stadtteilbezogener sozialer und baulicher Aufwertungsprozess statt, der zum Austausch der Wohnbevölkerung führt. Diese Aufwertungsprozesse sind auch in der neuen Nutzung von Backstein-Fabrikgebäuden zu sehen. Das Hotel Meininger befindet sich in einer ehemaligen Brauerei und das Streetartmusum MIMA befinden sich direkt nebenan. Am nächsten Tag ging es mit der Metro zum Brüsseler Wahrzeichen, dem Atomium. Diese steht, seit der Weltausstellung 1958, für den technischen Fortschritt Europas.
Als Synonyme für diese Fortschritte standen die Erkenntnisse der Atomforschung und die Herstellung von Aluminium. Daraus leitet sich der Begriff Atomium ab. Mit einem der schnellsten Aufzüge Europas gelangte man in die höchste Besucherkugel. Von hier aus konnte die gesamte Agglomeration von Brüssel bei sehr guter Aussicht betrachtet werden. Die Ausstellungen im Atomium hielten die eine oder andere Überraschung für uns bereit. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto vor dem Atomium wurde die Ausstellung Mini-Europe besucht. Die Schülerinnen und Schüler hatten hier die Möglichkeit einen Rundgang die Länder der Europäischen Union mit ihren Besonderheiten kennen zu lernen. Maßstabsgetreu sind hier die bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Mitgliedsstaaten in einem Park nachgebaut. Nach dem nun erste Assoziationen zur Europäischen Union geweckt wurden, stand der folgende Tag im Zeichen der Institutionen und der Geschichte der europäischen Gemeinschaften. An der Metrostation Schuman startete die Exkursion durch das Europa- viertel. Vom Ministerrat über die Europäische Kommission gelangten wir schließlich zum Europäischen Parlament. An der Spitze der Europäischen Kommission findet im nächsten Jahr ein Wechsel statt. Als aussichtsreichster Kandidat zur Ablösung des luxemburgischen Kommisonschefs Jean Claude Junker werden dem derzeitigen Fraktionsvorsitzenden der EVP, Manfred Weber (CSU), aus Nierderbayern die größten Chancen eingeräumt. Das Europäische Parlament weist, als erstes direkt gewähltes supranationales Parlament, die Besonderheit auf, dass es auf zwei Standorte verteilt ist. Während sich das Parlament drei Wochen im Monat in Brüssel aufhält, tagt es jeweils eine Woche im Monat in Straßburg. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments reisen in Sonderzügen mit ihren Aktenbergen und Büromitarbeitern jeden Monat hin und her. Dieser organisatorische Aufwand müsste aus Gründen der Effektivität eingestellt werden. Die Notwendigkeit wird von allen Beteiligten gesehen. An diesem Beispiel zeigt sich exemplarisch die Schwierigkeit im Umgang mit Einheitsentscheidungen. Für eine komplette Verlagerung des Parlaments nach Brüssel müssten die Verträge geändert werden. Dabei müsste auch Frankreich zustimmen. Nachmittags wurde das neu gebaute Haus der Europäischen Geschichte besucht. Das multimedial aufbereitete Museum behielt auch für die technikaffinen Besucher einige Überraschungen bereit. Mithilfe eines iPads konnten Hintergrundinformationen und Videos zu historischen Exponaten abgerufen werden. Der mit der Entführung der Europa aus Phönizien startende Rundgang führte über die Antike, in die Zeit der Französischen Revolution bis zum Ersten und Zweiten Weltkrieg. Auffällig ist die schockierende Dominanz der Deutschen auf die Geschichte Europas. Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich der Entstehung des europäischen Gedankens nach den Leiden des Zweiten Weltkriegs bis zur Europäischen Union.
Am Donnerstag stand das Europäische Parlament auf dem Programm. Der Tag begann im Parlamentarium, dem Besucherzentrum des Europäische Parlaments. Hier besteht die Möglichkeit alle Abgeordneten des Europäischen Parlamentes mit Steckbrief und Video kennenzulernen. Die Zusammensetzung der Fraktionen im Europäischen Parlament kann anschaulich mit einem Modell nachvollzogen werden. Auf dem Weg in wohlverdiente Mittagspause in der Innenstadt wurde das Schloss des belgischen Königs besichtigt. Der belgische König erfüllt die Funktion des obersten Repräsentanten, hat allerdings keinen Einfluss auf die Politik des Staates. Um 15 Uhr betraten wir das Europäische Parlament. Nach einer kurzen Einführung durch den Mitarbeiter des Europäischen Parlamentes Axel Heyer, bestand die Möglichkeit den Sitzungssaal des Europäischen Parlamentes auf der Besuchertribüne zu betreten. Während der Sitzung zwischen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes und Vertretern der ASEAN- Staaten, hatte die Gruppe die Möglichkeit die Simultanübersetzung in alle 24 Sprachen der Europäischen Union mitzuerleben. Anschließend hatten wir die Chance in einem Gespräch ein Mitglied des Europäischen Parlamentes kennenzulernen. Maria Heubuch, die Biobäuerin aus dem Allgäu, sitzt für Bündnis 90/ Die Grünen seit 2014 im Europäischen Parlament. Sie ermöglichte uns Einblicke in das Leben eines EU-Abgeordneten und beantwortete die Fragen der Gruppe zu den Themen Landwirtschaft und Entwicklung.

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